Das Internet hat das Leben in den vergangen Jahren zweifelsohne nachhaltig verändert. Waren werden, wie selbstverständlich, im Onlinehandel bestellt und spätestens bereits am nächsten Tag bequem bis vor die Haustüre geliefert. Informationen zu Produkten und Dienstleistungen sind in den Weiten des Netzes umfassend recherchierbar - auf Internetauftritten oder Profilseiten. Instagram, Facebook und andere soziale Netzwerke haben sich durch einen enormen Zulauf an Nutzern in den vergangen Jahren zu großen Kommunikationsplattformen und Informationssystemen entwickelt, die von einem Großteil der Gesellschaft intensiv und regelmäßig genutzt werden. Da liegt es natürlich nahe, dass die sogenannte Reichweite oder die Anzahl der "Gefällt Mir"-Markierungen für die Beurteilung eines Produktes, einer Dienstleistung oder sogar eines Menschen herangezogen wird. Getreu dem Motto: Was die Masse gut findet, kann gar nicht so schlecht sein. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Fotografie?
MODERNE FOTOGRAFIE.
Ich denke, dass sich die Anforderungen der "modernen Fotografie" gewandelt haben - heute möchte man möglichst authentisch und lebendig von einem "Fotografen" abgebildet werden, der sich ein möglichst gutes "Standing" in den sozialen Netzwerken aufgebaut hat und mit einem lebendigen Bildstil überzeugen kann. Nehmen wir zum Beispiel den 20-jährigen BWL-Studenten, der sich eine Kleinbildkamera mit einer 35er Festbrennweite gegönnt hat. Der Fotograf wird nicht nach Ausbildung, Empfehlungen der Tante oder der Oma, sondern nach dem Referenzbildern im instagram-Account des Fotografen und zu einem gewissen Teil sicherlich auch nach der Anzahl der "Likes" ausgewählt. Alles soll eben möglichst "hipp" und "trendy" sein; schöner Farblook drüber und dann ab damit auf das eigene Profil - natürlich mit einer Beschreibung, wie angenehm und spontan das Shooting mit der lieben #schönername auf dem Trip nach Berlin doch war. Das Ganze dann noch entsprechend "verhashtaggt" und dann Warten auf die "Likes". Mein Eindruck ist, dass der klassisch orientierte und technisch versierte Fotografenmeister, der technisch einwandfreie Aufnahmen stur nach den allgemeinen Regeln der Fotografie aufnimmt, ausgedient hat. Die heutige Gesellschaft möchte keinen alteingesessenen "Passbildfotografen", der nach vorheriger Terminvereinbarung am Montag um 17 Uhr ein Porträt nach feststehenden Regeln in einem muffigen Studio aufnimmt.
Klar - alles ein bisschen überspitzt, klischeebhaftet und übertrieben dargestellt; sowohl das Beispiel mit dem hippen Studenten, der die hübschesten Models der Szene in unaufgeräumten Küchen und den angesagten Städten - gerne auch im Ausland - im Gegenlicht aufnimmt, als auch das Beispiel mit dem alteingesessenen Fotografenmeister, der sein Handwerk in einer Berufsausbildung erlernt hat. Aber ich denke, dass man im Kern die Behauptung nicht von der Hand weisen kann, dass sich diese "moderne Fotografie" gewandelt hat - vordergründig wegen des Aufkommens der sozialen Netzwerke und dem ständigen Vergleich mit anderen Fotografen aufgrund der enormen interregionalen Reichweite und des Bewertungssystems in Form von "Likes". Das Stichwort ist heute "Vernetzung" - ich finde es faszinierend, dass einige zuvor gänzlich Unbekannte durch diese Kanäle mittlerweile teilweise Hunderttausende von Anhängern generieren konnten, die das Ganze wirklich auch konsumieren. Trotz dieser enormen Masse an Fotografen und Bildern - dieser unüberschaubaren und nie enden wollenden Bilderflut. Aber dass dieser Effekt nicht einzig und allein wegen der besonders guten Aufnahme eintritt, möchte ich am Ende dieses Beitrages weiter ausführen. DIE SUCHE NACH ANERKENNUNG.
Und da es menschlich ist, Anerkennung zu suchen, erkennen viele "Fotografen" - im Übrigen auch Models - die Chance, die ihnen diese sozialen Netzwerke bieten, und buhlen durch das Hochladen von trendigen Fotos um die Gunst der Anhänger - stets mit dem Blick auf die reichweitenstarken Vorbilder der jeweiligen Branche. Das können bekannte Fotografen, bekannte Models, Schauspieler oder was auch immer sein. Dann wird kopiert und nachgeahmt - sofern das bei dem beliebten Vorbild funktioniert, wird das Gleiche doch wohl auch bei mir funktionieren, wird dann wohl der Gedanke sein. Bewusst oder unbewusst - jeder Mensch strebt nach Anerkennung.
Die Werbeindustrie trägt ihr Übriges dazu bei, indem sie erkannt hat, dass diese reichweitenstarken Vorbilder Werbeträger für die Vermarktung ihrer Produkte sein könnten - daraus sind dann wohl die Werbebotschafter - oder auch "Influencer" entstanden. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt, wird das Ganze nicht nur für das eigene Ego interessant - dann sprudelt hier auch Geld und somit gibt es neben der Suche nach Anerkennung als Motiv auch ein finanzielles Interesse. Technische Aspekte werden zunehmend unwichtiger - inzwischen ist nahezu jede Kamera in der Lage eine (für das Web) ausreichende Bildqualität abzuliefern. Dennoch werden teure Kameras immer verkauft werden - auch und obwohl es keine oder nur geringe rationale Gründe für den Kauf der teuren Kamera geben wird (Vgl. Mythos Leica). VOM VERGLEICH UND NEID.
Erhält man mit der eigenen Fotografie - eventuell trotz großer Bemühungen - nicht eine zufriedenstellende Resonanz, ist das natürlich ernüchternd und es wird nach Gründen gesucht. Es ist nur allzu menschlich, dass in der Folge eine negative Auswirkung entsteht. Neid. Neid auf den Pöbel, der mit seinen vermeintlich belanglose Knippsereien hübscher Models bei instagram hingegen auf Begeisterung und unglaublich hohe Resonanz stößt. Ich denke, dass es sich bei dem Suchen nach Anerkennung, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken, und dem daraus entstehenden Neid um ein gesellschaftliches Phänomen handelt, welches mit Sicherheit nicht neu ist. Neid und das Streben nach Anerkennung gibt es, seit es den Menschen gibt. Dafür gibt es genügend Belege in der Vergangenheit. Doch noch nie war Akzeptanz und Erfolg transparent messbarer und vergleichbarer, als dies nun durch die zahlenmäßig ausgedrückte Resonanz in den sozialen Netzwerken in Form von Anhängern und Gefällt-Mir Markierungen der Fall ist. Durch die Globalisierung ist zudem die Vergleichsgrundlage gewachsen. Damals war der Rasen des Nachbarn auf der anderen Seite des Gartenzauns grüner; heute birgt das Wissen, dass die Wiese bei einem Menschen auf der anderen Seite des großen Teiches grüner ist, bereits „Neidpotential“.
Hinzu kommt ein weiterer und sehr wesentlicher Aspekt aus der Soziologie, der diese Entwicklung begünstigt: die jüngeren Generationen haben teils vollkommen abweichende Erwartungen und Vorstellungen eines erfüllten Lebens, als ihre Vorgängergenerationen. In diesem Zusammenhang kommt mir ein Artikel in Erinnerung, den ich vor einiger Zeit einmal gelesen hatte. Ich möchte hier ein Zitat aus diesem - sehr lesenswerten - Artikel wiedergeben, der meine These untermauert: Babyboomer [Bezeichnung für die Generation, die in den 1950er Jahren geboren wurde] rund um die Welt erklärten ihren Kindern, dass sie werden können, was sie nur wollen und dass ihnen alle Möglichkeiten offen stehen. Die Babyboomer-Kinder wuchsen auf mit der Überzeugung, Mittelpunkt einer ganz besonderen Geschichte zu sein.
Ich denke, dass dieser etwas abstrakt geschriebene Artikel sehr viel Wahres enthält und neben der Benennung der Probleme dieser Generation auch die Entstehung und Entwicklung dieser Problematik aufzeigt. Und ich kann mir vorstellen, dass sich dieser „Trend“ in Nachfolgergenerationen noch deutlich ausgeprägter darstellen wird. Diese Generationen werden lernen müssen, mit ihrem Narzissmus umzugehen. Der korrekte Umgang mit den sozialen Netzwerken muss erlernt werden - anderenfalls ist Frust, Demotivation und ein schlechtes Selbstwertgefühl vorprogrammiert. Und ich spreche hier nicht von einem Krankheitsbild oder einer Persönlichkeitsstörung.
Aufmerksamkeit alleine ist für diese junge Generation bereits Grund genug, diese Bemühungen anzustellen. Finanzielle Aspekte kämen noch hinzu. Die Tatsache, dass sich mit dem "Influencer"-Dasein, also dem Auftritt als Werbebotschafter für eine bestimmte Firma, horrende Summen verdienen lassen, ist sicher ein Anreiz für diese junge Generation. AUSWIRKUNGEN.
Was das für die Zukunft der Fotografie bedeutet? Menschen werden Sachen in dieser Art und Weise fotografieren - dass, in welcher Form auch immer - starke Emotionen hervorgerufen werden, um in der Folge zum Klick (oder Wisch) auf die magische Schaltfläche zu animieren. Die Fotos werden durch diese Entwicklung, die durch diese Konkurrenzsituation in den sozialen Netzwerken einhergeht, "effekthascherisch" - hier gilt: besser, schneller, weiter. Übertrumpfen ist das Schlagwort. Gerne auch unter Anwendung der Prämisse "sex sells". Sehr wichtig auch: Dauerfeuer! Ein Ausruhen auf den hart erarbeiteten Lorbeeren, würde sich binnen kürzester Zeit negativ auf die Reichweite auswirken. Daher wird rausgeballert was das Zeug hält - man möchte in der Masse schließlich nicht untergehen. Es ensteht - eine Bilderflut. Dabei werden Aufnahmen und Bildstile, die anderswo hohe Reichweiten erzielen als Maßstab angesehen und kopiert. Es sind schließlich die Trends, die gut ankommen. In der Folge entsteht eine Bilderflut, die sich in Bezug auf den Bildstil und den Inhalten ähneln. Irgendwie doch langweilig, oder?
Natürlich sehr schade, dass jedes einzelne Foto durch diese Entwicklung und der damit verbundene Bilderflut entwertet wird und in der Masse Gefahr läuft, unterzugehen. Durch immer und immer wieder neuen "Content" zerplatzt die Aufmerksamkeit für eine Aufnahme wie eine Seifenblase.
Man sollte sich zudem vor Augen führen, dass alleine die Aufnahme einen relativ geringen Einfluss auf das Generieren einer hohen Reichweite hat. Selbstvermarktung und "Marketinggeschick", Vernetzung, Persönlichkeit und letztendlich auch sehr viel Glück sind weitaus wichtiger. Auch obwohl sehr viele Fotografen nach einer hohen Anerkennung und Bekanntheit streben - nur ein Bruchteil der Fotografen können und werden diese jemals erlangen. Letztendlich hat man es selbst in der Hand, ob man dieses "Spiel" mitspielen möchte - sofern man das nicht möchte, bleibt einem die Möglichkeit der Offlinepräsentation - oder zumindest einer Präsentation im Internet fernab von sozialen Netzwerken, z. B. auf einer eigenen Internetseite. Mit Sicherheit wird diese Art der Präsentation zahlenmäßig eine geringere Reichweite erzielen; die Interessenten könnten sich aber mitunter tiefgründiger und längerfristiger mit den Fotos befassen. WORUM ES MIR EIGENTLICH GEHT.
Ich für meinen Teil beschäftige mich in erster Linie mit der Fotografie, da sie mir große Freude bereitet. Daher bin ich bemüht, Fotos in der Art aufzunehmen, dass sie in erster Linie mir selbst gefallen und meinen Eindruck vom Gesehenen wiedergeben. Dieser Eindruck ist mitunter höchst subjektiv - klar, die Wahrnehmung jedes Menschen ist eine Andere. So versuche ich, das Gesehene in Form eines Fotos aufzunehmen und das Schöne festhalten. Selbst sofern dieser Geschmack weniger massenkompatibel sein sollte, bin ich bemüht, diesen Stil nicht zu verbiegen um der Masse zu gefallen. Gerade bei der Fotografie von Menschen, sind Einfühlungsvermögen und Leidenschaft wesentliche Voraussetzungen für das Gelingen glaubhafter und echter Porträts - mein Anspruch ist es, zu dokumentieren. Dokumentieren kann nur der, der sich auf die Situation individuell und jedes Mal erneut einlässt und diese wirken lässt - ein Abspulen eines sturen Programmes funktioniert nicht. Das würde synthetisch und aufgesetzt wirken. Die Verschiedenheit des Einzelnen ist doch das Interessante bei der Fotografie von Menschen. Besser ein echter und natürlicher Stil mit Ecken und Kanten, als ein populärer aber nicht authentischer Wald-und-Wiesen Stil ohne Herzblut und Seele, der bereits tausendfach existiert und nur wegen der Massentauglichkeit auf die soeben erlebte Situation angewendet wird. Diese Reduzierung - ich möchte es nahezu Gleichschaltung nennen - wird der Individualität der Situation nicht gerecht.
Vor etwa einem Jahr habe ich mir im Zusammenhang mit der Überarbeitung meiner Startseite dahingehend Gedanken gemacht, inwiefern ich meine Motivation für das Fotografieren beschreiben könnte. Ich finde, dass ich mit dieser Beschreibung das für mich Wesentliche erfasst habe, sodass ich diese an dieser Stelle wiedergeben möchte: In der Fotografie geht es nach meinem Verständnis um das Festhalten besonderer, emotionsbehafteter Momente. Um Gefühle, Emotionen und Sehnsüchte. Und um die Erschaffung von Traumwelten. Das Ergebnis - ein Foto. Für den einen banal; für den anderen von immensem Wert. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass der Blick über den eigenen Tellerrand nicht erlaubt wäre. Meiner Meinung nach ist ein gewisses Maß an Inspiration förderlich für die eigene Entwicklung - blindes Kopieren von Trends hat meines Erachtens jedoch mit echter Fotografie nichts zu tun. Zugegeben - das war nun etwas unstrukturierter Beitrag, der meine ganz persönliche Sichtweise auf diese Thematik darstellt und im einen oder andere Punkt etwas abschweifend wurde. Deshalb möchte ich am Ende des Beitrages den Kerninhalt dieser Ausführungen zusammenfassen. Obwohl die Versuchung besteht, sich von den "Likes" leiten zu lassen, sollte man sein eigens "Ich" bewahren und nicht den eigenen Stil auf der Jagd nach Resonanz verbiegen. Kreativität funktioniert nicht auf Knopfdruck - so dürfen auch gerne mehrere Wochen vergehen, ehe man eine neue Aufnahme präsentiert. Dass die Reichweite dann in den Keller rutscht - wem interessiert das?
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Florian RiedlFOTOGRAFIEN
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February 2020
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